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Interview

Olympia-Attentat: Wir brauchen eine Zeitenwende

05.09.2024

Die Särge der Opfer des Attentats. Foto: picture-alliance/ dpa | dpa
Die Särge der Opfer des Attentats. Foto: picture-alliance/ dpa | dpa

Am 5. September 1972 töteten palästinensische Terroristen im Münchner Olympiadorf zwei Israelis und nahmen neun weitere als Geiseln. Bei einem missglückten Befreiungsversuch auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck wurden alle Geiseln, ein Polizist und fünf der acht Terroristen getötet. Daniela Städter hat mit Josias Terschüren, Bereichsleiter Politik und Gesellschaft bei „Christen an der Seite Israels“, über das Attentat gesprochen. (Archivbeitrag, September 2022)

Josias Terschüren ist Bereichsleiter Politik und Gesellschaft bei „Christen an der Seite Israels“. Foto: Naemie Klein Fotografie

IDEA: Nach knapp 50 Jahren hat es eine finanzielle Einigung mit den Angehörigen der Opfer des Olympia-Attentats gegeben. Warum war das so wichtig?

Terschüren: Der Anschlag 1972 war für die Hinterbliebenen der Opfer der Beginn eines 50 Jahre währenden Kampfes mit den deutschen Behörden. Ihnen ging es um die Anerkennung des Leids, das ihnen – auch bedingt durch den dilettantischen deutschen Befreiungsversuch – zugefügt worden ist. Wir von „Christen an der Seite Israels“ sind dankbar, dass es endlich zu dieser Einigung gekommen ist. Aber dass es so lange gedauert hat, ist traurig.

IDEA:Gab es in der Vergangenheit bereits wirtschaftliche Unterstützung für die Hinterbliebenen?

Es gab zwar relativ früh Zahlungen u. a. auch vom deutschen Staat, aber es wurde damals betont, dass es sich nicht um Entschädigungszahlungen handelt, sondern nur um eine Geste. Zieht man die Anwaltskosten ab, blieben rund eine Million DM übrig, die auf die Opferfamilien verteilt wurden. Das war ein Tropfen auf den heißen Stein. Den Familien muss das wie blanker Hohn vorgekommen sein.

IDEA: Wie wurde der Anschlag in Israel wahrgenommen?

Terschüren: Der israelische Geheimdienst-Chef kam mit Groll aus München zurück, weil so wenig Rücksicht auf das Leben der Geiseln und Polizisten genommen wurde. In Israel drohte nachvollziehbarerweise eine antideutsche Stimmung aufzukommen, und die dortige Regierung bemühte sich, das zu dämpfen, um den deutsch-israelischen Beziehungen nicht zu schaden.

Einerseits honorierte Premierministerin Golda Meir den deutschen Versuch, den Terroristen die Stirn zu bieten und nicht dem europäischen Usus gemäß klein beizugeben. Andererseits hatten die führenden Köpfe der damaligen Bundesregierung nicht den Mumm, für die beim schlecht ausgeführten Befreiungsversuch gemachten Fehler geradezustehen, sich gar zu entschuldigen oder sich um echte Aussöhnung und Entschädigung zu bemühen. Das wiederum rief in Israel Bestürzung und Fassungslosigkeit hervor.

Die nachfolgenden 50 Jahre Tortur der Opferfamilien im Ringen um Aufklärung und Anerkennung haben ihr Übriges getan.

IDEA: Was müsste sich heute ändern?

Terschüren: Bundeskanzler Olaf Scholz spricht in Bezug auf den Ukraine-Krieg von einer Zeitenwende. Auch die deutsche Nahostpolitik braucht eine Zeitenwende. Es muss endlich anerkannt werden, dass es hauptsächlich die palästinensische Seite ist, die den Friedensprozess behindert. Es ist an der Zeit, sich nicht weiter hinter der Zweistaatenlösung zu verstecken, die keinen Frieden gebracht hat, ihn auch nicht bringen wird, sondern lediglich einseitig Druck auf Israel ausübt. Es gibt leider nur wenige Politiker, die dazu den Mut haben, das neu zu denken.

Es gibt jetzt schon mit den Abraham-Abkommen einen alternativen Ansatz, der tatsächlich Frieden gebracht hat. Das sollten wir fördern. Stattdessen finanzieren wir mit deutschen Steuergeldern indirekt Strukturen, die weiterhin Terror begünstigen. Wir wissen, dass Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und die von ihm geleitete Palästinensische Autonomiebehörde (PA) Terroristen, die unschuldiges Blut von Zivilisten vergossen haben, mit Märtyrerrenten versorgen.

Wie kann es sein, dass wir drei Tage nachdem Abbas in Anwesenheit des Bundeskanzlers bei einer Pressekonferenz in Deutschland den Holocaust relativiert, 340 Millionen Euro an Palästinenser-Hilfsgeldern für zwei Jahre freigeben – und gleichzeitig 50 Jahre darum ringen müssen, 28 Millionen Euro für die Hinterbliebenen von israelischen Opfern palästinischen Terrors auf deutschem Boden zu zahlen? Da stimmt doch die Relation nicht! Deswegen müssen Grundsätze deutscher Nahostpolitik neu gedacht werden.

IDEA: Welche Verbindungen zwischen den Terroristen 1972 und der heutigen PA-Führung gibt es?

Terschüren: Der Drahtzieher des Anschlags 1972, Abu Daoud, hat in seiner Autobiografie geschrieben, dass Abbas den Anschlag mitfinanziert hat. Und dieser Abbas wird kurz vor dem 50. Jahrestag im Kanzleramt empfangen. Das ist schon ohne den Eklat politisch pietätlos.

IDEA: Was sagt das über deutsche Politiker aus?

Terschüren: Ich frage mich, ob das Naivität, Ignoranz oder gewollt ist? Dass Abbas gerne politische Bühnen nutzt, um antiisraelische und geschichtsverzerrende Aussagen zu bringen, war ja bekannt. Scholz hätte besser vorbereitet sein müssen und besser parieren müssen.

Die deutsch-israelischen Beziehungen brauchen neben der Freundschaft der schönen Worte auch die Freundschaft der mutigen Tat. Auf dem Weg dahin gilt es noch einiges aufzuarbeiten: Die Münchener Vorgänge von 1972 und 1973 beim Jom-Kippur-Krieg etwa kratzen am Image deutscher Politik-Giganten, etwa Bundeskanzler Willy Brandt, Innenminister Hans-Dietrich Genscher und Bundespräsident Walter Scheel. Scheel etwa schrieb am Tag nach dem Anschlag: „Gewiss muss man auf die berechtigte Empörung Rücksicht nehmen. Auf der anderen Seite: Das Leben geht weiter.“ Das ist der Wind, der damals politisch wehte.

IDEA: Vielen Dank für das Gespräch.

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