Gesellschaft
Stuttgarter Rotlichtviertel: „HoffnungsHaus“ ist wieder geöffnet
19.06.2020
Stuttgart (idea) – Das „HoffnungsHaus“, ein Café und Rückzugsort für Prostituierte im Stuttgarter Rotlichtviertel, ist nach einer zeitweiligen Schließung aufgrund der Corona-Maßnahmen nun wieder geöffnet. Das sagte die Leiterin der Einrichtung, Wilbirg Rossrucker, der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Die Schließung sämtlicher Bordelle in Stuttgart habe viele der Frauen und Mädchen aus der Bahn geworfen. Denn viele seien arbeitslos geworden und wüssten nicht, wo sie wohnen sollten. Manche würden ihre Dienste offenbar in Privatwohnungen anbieten. Während die Bordelle offiziell weiterhin geschlossen seien, dürfe das „HoffnungsHaus“, wie andere Cafés auch, wieder öffnen. Mittlerweile kämen regelmäßig wieder 10 bis 15 Frauen, die seelsorgerlich betreut und versorgt würden.
Beziehungsarbeit ist das Wichtigste
Rossrucker zufolge geht es vor allem darum, eine Beziehung zu den Frauen aufzubauen. Über den Glauben werde auch gesprochen, aber in der Regel nur dann, wenn der Wunsch bestehe: „Mein Motto war immer: Sprich von deinem Glauben, und wenn es sein muss, auch mit Worten.“ Man wolle den Betroffenen vermitteln, dass sie von Gott geliebt werden und sie nicht verurteilen. Allen Frauen sei bewusst, dass es sich um eine christliche Einrichtung handle, das Kreuz deutlich sichtbar an der Wand angebracht sei und christliche Schriften auslägen. „Am liebsten wäre es uns jedoch, wenn wir eines Tages schließen könnten, weil wir nicht mehr gebraucht werden.“ Das sei aber sehr unrealistisch. Allein in Stuttgart verkauften etwa 4.000 Frauen regelmäßig ihren Körper gegen Bezahlung, etwa 93 Prozent davon aus osteuropäischen Ländern.
Geschäftsführer Kuhn: Wir sind vor allem für die betroffenen Frauen da
Stefan Kuhn, der Geschäftsführer des christlichen Bildungs- und Sozialwerks „Aktion Hoffnungsland“, zu dem das HoffnungsHaus gehört, betrachtet die Einrichtung als „Oase der Hoffnung“ inmitten des Stuttgarter Rotlichtmilieus. Gegenüber idea sagte er, dass man zu Beginn bestrebt gewesen sei, auch anderen Menschen aus prekären Verhältnissen, etwa Obdachlosen, eine Zuflucht anzubieten. 2019 habe man dann festgelegt, dass das HoffnungsHaus ein Rückzugsort ausschließlich für Prostituierte sein solle. Obdachlose verweise man deshalb an andere Einrichtungen. Zu den regelmäßigen Gottesdiensten seien jedoch alle eingeladen – auch Männer, die sonst keinen Zutritt hätten.
Unterstützung für schwedisches Modell
Laut Kuhn unterstützt das HoffnungsHaus die Einführung des schwedischen Modells in Deutschland. Dieses Modell sieht ein Sexkaufverbot für Freier vor. Frauen, die ihren Körper für Sexdienste gegen Bezahlung anbieten, werden jedoch nicht bestraft. Um dieses Ziel zu erreichen, veranstalte man auch regelmäßige Informationsveranstaltungen, beispielsweise in Schulen. Viele Menschen seien betroffen, wenn sie erführen, wie es den Frauen, die sich prostituierten, tatsächlich erginge. Auf diese Weise hoffe man, ein Umdenken in der Gesellschaft zu erreichen. Deshalb sei die Einrichtung auch Mitveranstalter beim Kongress „Gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung“, der vom 8. bis 11. November im Christlichen Gästezentrum „Schönblick“ in Schwäbisch Gmünd stattfinden soll. Das 2016 gegründete HoffnungsHaus beschäftigt zwei hauptamtliche Mitarbeiterinnen, die von etwa 20 Ehrenamtlichen aus Gemeinschaften und Kirchengemeinden unterstützt werden. Träger ist die „Aktion Hoffnungsland“, die zum Evangelischen Gemeinschaftsverband Württemberg „Die Apis“ gehört. Die Einrichtung wird von öffentlichen Beratungsstellen, den Kirchen und der örtlichen Evangelische Allianz unterstützt. Sie finanziert sich hauptsächlich durch Spenden. Rossrucker und Kuhn befürchten deswegen, dass die Corona-Krise zukünftig noch große Probleme bereiten könnte, wenn Ende 2020 sonst übliche Großspenden ausbleiben sollten.
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