Frei-/Kirchen
Corona: Wo bleibt das geistliche Wort der Bischöfe?
13.05.2020

Frankfurt am Main (idea) – Der frühere evangelische Militärbischof Hartmut Löwe (Bonn) hat „die Sprachlosigkeit der Kirchenoberen“ in der Corona-Krise kritisiert. Während auf der gemeindlichen Ebene „viel und Erstaunliches“ geschehe – etwa digitale Andachten und Gottesdienste –, fänden „diejenigen, die sich sonst an Stellungnahmen zu allem und jedem überbieten“, kein geistliches Wort, schreibt der Theologe in einem Kommentar für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Ausgabe 13. Mai). Sie redeten und wiederholten, was andere auch sagen, dankten den Ärzten und Krankenschwestern und freuten sich über die praktizierte Solidarität. Löwe zufolge versagen „kulturprotestantische Belanglosigkeiten“ in der Krise: „Hier muss theologisch und geistlich tiefer gegraben werden. Vermögen das unsere Kirchenoberen in ihrer Geschäftigkeit noch?“ Bislang habe man öffentlich davon nichts gehört. Löwe fragt die Kirchenleiter: „Wollen sie in dieser Situation weiter schweigen, oder haben sie etwas vom Innersten des Glaubens her zu sagen?“
Löwe sieht Corona-Pandemie als Heimsuchung Gottes
Der Altbischof geht auch auf die Frage ein, ob die Pandemie eine Strafe Gottes sei, was die Bischöfe verneinten: „Richtig ist, dass man die Keule vom Zorn Gottes und seiner Strafe für unsere Verfehlungen immer wieder missbraucht hat und vielleicht auch jetzt, allerdings habe ich niemanden so reden hören.“ Martin Luther (1483–1546) habe, als die Pest 1525 und 1527 zuerst in Breslau und später auch in Wittenberg gewütet habe, in seiner Schrift „Ob man vor dem Sterben fliehen möge“ ohne Scheu von einer Strafe Gottes gesprochen. Löwe: „Ist das inzwischen als theologisch überholt zu tadeln?“ Den biblischen Sachverhalt dürfe man freilich nicht etwa mit der Rachsucht eines Mächtigen verwechseln. Deshalb treffe die Sache besser „das leider aus der Sprache verschwundene Wort Heimsuchung“. Wer jedoch nicht vom Zorn Gottes zu sprechen vermöge, verderbe auch die Rede von Gottes Liebe: „Sie wird dann zu einer diffusen Gefühlsduselei, einer nicht belastbaren Allerweltsweisheit ohne konkreten Anhalt in der Lebenserfahrung.“ Löwe zufolge zeigen sich im Kreuz Jesu Christi, dem Fundament christlichen Glaubens, die Liebe und der Zorn Gottes als zwei Seiten eines Handelns. Nach seiner Ansicht wäre hier theologisch und geistlich anzusetzen: „Was sagt uns in diesem Horizont die schreckliche Pandemie über unseren so häufig trivial und belanglos gewordenen Glauben?“
Das Abstandsgebot im Gottesdienst lässt sich leicht herstellen
Zur Öffnung der Kirchen für Gottesdienste schreibt er: „Aber wenn man dort nur zu hören bekommt, was immer ohnehin schon alle sagen, können wir sie entbehren.“ Im Blick auf die schon vor der Pandemie meist niedrigen Besucherzahlen im Gottesdienst nennt es Löwe bedrückend, dass „das jetzt geforderte Abstandsgebot schon beklagenswert selbstverständlich ist“. Jedenfalls lasse es sich Sonntag für Sonntag leicht herstellen. Der 84-Jährige war von 1993 bis 1999 auch Bevollmächtiger des Rates der EKD und der damaligen Europäischen Gemeinschaft.
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