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Bericht

Ich habe den Gedanken an Weihnachten verdrängt

23.12.2007

Drei Stunden lang war ich am 18. April in Aufregung und Sorge sowie in einem Gefühl der Ohnmacht, bis ein Polizist sagte: „Ihr Mann ist unter den Ermordeten.“ Ich fiel in eine Art Schock bzw. Trance-Zustand. Zu Hause waren alle Räume voller Leute, die mir ihr Beileid aussprechen wollten. Ich kann mich an die ersten Tage nach der Ermordung meines Mannes nur wie durch einen Nebel erinnern. In der Nacht habe ich den Psalm 119 gelesen und ein wenig geweint. Erst auf der Beerdigung dämmerte mir allmählich, was passiert war. Als der Sarg herabgelassen wurde, sah das für mich so endgültig aus.

Funktioniert wie ein Roboter

Danach habe ich funktioniert wie ein Roboter. Meine Gefühle waren wie eingefroren, keine inneren Regungen, nichts. Der viele Besuch hat mich abgelenkt. Ich konnte viel reden, was meinem Wesen entspricht und eine Art „Therapie“ für mich war. Es war aber auch eine Flucht vor dem Alleinsein und den Gedanken, die dann kommen. „Hätten wir es wissen müssen, haben wir nicht genug aufgepasst?“  
Mir ist eine Predigt über Hiob eingefallen (gehalten bei der Beerdigung einer Mutter, die bei der Geburt ihres dritten Kindes verstorben war). Hiob konnte nicht wissen, was passiert. Gott hat es ohne Vorwarnung zugelassen. ER hat Hiob so sehr vertraut, dass wenn ER ihm sein Liebstes nimmt, er doch bei IHM bleiben wird. Es hat mich getröstet, zu wissen, dass Gott mir vertraut. Er hat gesagt, dass ER uns nie größere Lasten auferlegen wird, als wir tragen können. Aber manchmal wird es sehr schwer, und ich fühle mich dann, als würde ich unter der Last all der neuen Verantwortung und Aufgaben erdrückt werden.
Immerhin habe ich nicht nur meinen Mann und Vater meiner Kinder, sondern auch noch zwei gute Freunde und durch den Wegzug anderer Leute die gesamte Gemeindeleitung verloren. Meine neue Aufgabe der Gemeindeleitung hält mich ein Stück weit „am Leben“ und zwingt mich, vorwärts zu schauen. Allerdings sind wir – meine drei Kinder und ich – immer noch gut im Verleugnen und haben noch einen langen Weg vor uns bis zum Akzeptieren. Wir leben unseren Alltag, als ob nichts geschehen ist. Man sieht auch niemanden weinen. Selbst am Geburtstag meines Mannes – als wir jeder eine Blume auf das Grab pflanzten – haben die Kinder nur herumgealbert.

„Mama, was wird Weihnachten?“

Im Haus ist noch alles beim Alten: die Kleider im Schrank, die Zahnbürste im Becher und sogar das Fahrrad im Schlafzimmer. Nun steht Weihnachten vor der Tür. Das Fest der Liebe, wo Familien zusammen sind. Miriam, die Kleinste fragt ängstlich: „Mama, was wird Weihnachten?“ Ich habe den Gedanken daran verdrängt, aber ich hoffe, dass es mich an dem Tag treffen wird und dass wir dann das allererste Mal alle zusammen so richtig weinen können. Wie schreibt doch Paulus im Römerbrief (5, 3-5): „Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsal, da wir wissen, dass die Trübsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Erfahrung, die Erfahrung aber Hoffnung; die Hoffnung aber beschämt nicht, denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben worden ist.“

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