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EKD-Magazin „chrismon“ übt scharfe Kritik an Parzany

22.01.2016

v. l.: Der leitende Redakteur Theologie des evangelischen Monatsmagazins „chrismon“, Eduard Kopp, übte scharfe Kritik an Ulrich Parzany. Fotos: PR/ SCM Hänssler
v. l.: Der leitende Redakteur Theologie des evangelischen Monatsmagazins „chrismon“, Eduard Kopp, übte scharfe Kritik an Ulrich Parzany. Fotos: PR/ SCM Hänssler

Frankfurt am Main (idea) - Der Streit um den Kurs der evangelikalen Bewegung stößt in säkularen wie kirchlichen Medien auf großes Interesse. Zum Hintergrund: Führende Evangelikale diskutieren seit Wochen um Bibelverständnis und ethische Positionen. Anlass waren Äußerungen des Vorsitzenden der Deutschen Evangelischen Allianz, Pfarrer Michael Diener (Kassel). Der Theologe, der auch dem Rat der EKD angehört, hatte Evangelikale in Interviews dazu aufgefordert, selbstkritischer zu sein und neu über Homosexualität, Politik und Mission zu denken. So sollten auch praktizierende Homosexuelle Mitarbeiter in evangelikalen Gemeinden sein können. Daraufhin äußerte der frühere proChrist-Hauptredner, Pfarrer Ulrich Parzany (Kassel), in einem Offenen Brief sein Unverständnis darüber, dass Diener biblische Positionen relativiere. Parzany hat für den 23. Januar über 60 evangelikale Vertreter nach Kassel eingeladen. Sie sollen über seinen Vorschlag beraten, ein deutschlandweites „Netzwerk Bibel und Bekenntnis“ ins Leben zu rufen. Grundlage für das Gespräch ist ein Memorandum des Evangelisten. Darin heißt es, ein „Netzwerk Bibel und Bekenntnis“ würde ein hilfreiches Instrument sein, die Orientierung der Christen zu fördern.

Chrismon: Parzany ist ein erzkonservativer Fernsehprediger – Lob für Präses Diener

Der leitende Redakteur Theologie des evangelischen Monatsmagazins „chrismon“ (Frankfurt am Main), Eduard Kopp, übte scharfe Kritik an Parzany. Schon lange nicht mehr habe ein Protestant seine eigene Kirche so drastisch beschädigt wie der „erzkonservative Fernsehprediger“. Diener hingegen spiele seine Rolle nicht schlecht. Persönlich halte er zwar an seiner „bibeltreuen“ Kritik an der Homosexualität fest und votiere für die christliche Judenmission, aber er behindere nicht die Suche nach Kompromissen. Wer in den Rat der EKD gewählt werde, habe eine Verantwortung für das Ganze: „Der sitzt da nicht als Brückenkopf einer Fraktion im Feindesland, sondern weil er sich einen Kopf um den Weg der Kirche insgesamt macht.“ Kopps Kommentar steht unter der Überschrift. „Parzany in Feindesland. Ein Evangelikaler will ,Irrlehren‘ in der evangelischen Kirche bekämpfen“ auf der Internetseite des Magazins, das von der EKD mit jährlich vier Millionen Euro aus Kirchensteuermitteln finanziert wird.

Christ & Welt: Evangelikale Bewegung ist im Glauben zerrissen

Für „Christ & Welt“, Beilage der Wochenzeitung „Die Zeit“, ist die evangelikale Bewegung im Glauben zerrissen und zerlegt sich. Die Redakteure Hannes Leitlein und Wolfgang Thielmann nennen Parzany einen verbitterten alten Mann. Für ihn gehe es in der Diskussion um alles. Er wolle die Evangelikalen nicht spalten, sondern nur bekennende Christen vernetzen. Parzany sagte gegenüber der Zeitung: „Wenn die Basis meint, dass der Vorsitzende ihre Position nicht mehr vertritt, besteht Klärungsbedarf.“ „Christ & Welt“ hingegen schreibt, „Kenner“ schätzten, dass die Hälfte der Evangelikalen wahrscheinlich auf Dieners Reformkurs liege.

Es geht um mehr als um die Frage der Homosexualität

Laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist die Diskussion über den Umgang mit Homosexualität zu einem Richtungsstreit der Evangelikalen geworden. Reinhard Bingener analysiert in einem Artikel vom 21. Januar, dass Diener in der Deutschen Evangelischen Allianz „eher liberale Auffassungen“ vertrete. Strikte Evangelikale befürchteten, dass Diener im eigenen Lager für die Positionen des „Mainstreams“ werbe: „Aus der Kontroverse hat sich ein Richtungsstreit entwickelt, bei dem es um mehr geht als die symbolisch aufgeladene Frage der Homosexualität, nämlich um die hermeneutische Frage der Bibelauslegung und die kirchenpolitische, wie die Kirche mit ihrer inneren Pluralität umgehen soll.“ Der weitere Verlauf der Diskussionen werde zeigen, ob sich eine der beiden Seiten in der Evangelischen Allianz inhaltlich durchzusetzen vermag „oder ob unter den Evangelikalen organisatorisch eine Bruchlinie entsteht“.

evangelisch.de: Worte Parzanys sind „schweres Geschütz“

Die Theologin Anne Kampf bezeichnet die Worte Parzanys als „schweres Geschütz“. Sie schreibt in einem Kommentar unter dem Titel „Zur Hölle mit uns anderen?“ auf evangelisch.de, dass sie Parzanys „Aufruf zur Spaltung“ besonders bedenklich finde: „Ein ,Netzwerk Bibel und Bekenntnis’ will er gründen, konservativer und bibeltreuer als die Deutsche Evangelische Allianz. Damit auch klar ist, wer die wirklich Rechtgläubigen sind, die den geraden Weg gehen, ohne zu irren. Es kann aber doch niemand von sich behaupten, Gottes Wahrheit endgültig erkannt zu haben!“ Das Portal evangelisch.de ist ein Angebot des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP).

Inwieweit ist die Bibel verbalinspiriert?

Die Kirchenhistorikerin am Konfessionskundlichen Institut des Evangelischen Bundes in Bensheim, Gisa Bauer, ist der Meinung, dass es schon seit mindestens zehn Jahren innerhalb der Evangelischen Allianz Diskussionen gebe. Es gehe um die Frage, inwieweit die Bibel verbalinspiriert sei und wo man sie als ein durch historische Kontexte beeinflusstes Dokument sehen müsse. Bauer vertrat ferner in einem Interview mit dem Deutschlandfunk die Auffassung, dass sich die evangelikale Bewegung durch eine Abgrenzung gegen die „Mainstreamkirche“ ihre Identität immer wieder neu suchen müsse. Deswegen veränderten sich auch die Themen. In den 1970er Jahren sei es um die weltweite Ökumene und die Politisierung der Kirche gegangen, später um die Frauenordination und nun um die Homosexualität.

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